
Video-Visite – So digital sind Deutschlands Arztpraxen
Die Videosprechstunde ist ein Paradebeispiel für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Doch wie digital sind Deutschlands Ärzt*innen wirklich? Wir an der Berlin School of Business and Innovation (BSBI) sind dieser Frage nachgegangen und haben das Angebot an Videosprechstunden in deutschen Arztpraxen untersucht. Analysiert wurden Ärzt*innen aus 18 medizinischen Fachgebieten sowie den 20 größten Städten des Landes. Als Datenquelle dienten alle auf der Telemedizin-Plattform Doctolib gelisteten Ärzt*innen, die eine Onlinebuchung bereitstellen. Die Ergebnisse zeigen: Während einige Fachrichtungen besonders stark auf digitale Angebote setzen, gibt es in anderen Bereichen noch erheblichen Nachholbedarf – im Durchschnitt bieten 6,01 % der Ärzt*innen eine Videosprechstunde an.
Internist*innen bieten die meisten digitalen Sprechstunden an
Bei der Betrachtung der Fachgebiete fällt auf: Internist*innen sind die Vorreiter in der digitalen Patientenversorgung. 15,54 Prozent der Internist*innen, die über Doctolib Termine anbieten, ermöglichen eine Videosprechstunde. Auch Hausärzt*innen und Allgemeinmediziner*innen setzen verstärkt auf digitale Angebote – hier liegt der Anteil bei 14,04 Prozent. Neurolog*innen folgen auf Platz drei mit 12,94 Prozent.
In Fachgebieten, in denen Diagnosen ohne medizinische Instrumente nicht möglich sind, ist auch das Angebot an Videosprechstunden am geringsten. Keine*r der 662 auf Doctolib gelisteten Radiolog*innen nutzt diese Möglichkeit. Auch Augenärzt*innen (0,83 Prozent) setzen nur vereinzelt auf digitale Konsultationen. Während Zahnärzt*innen am häufigsten eine Online-Terminbuchung über Doctolib anbieten, ist es lediglich bei 0,48 Prozent der Dentist*innen möglich, eine Videosprechstunde wahrzunehmen.
Nürnberg mit dem höchsten Anteil an Videosprechstunden
Neben den Fachgebieten wurden auch die 20 größten Städte Deutschlands hinsichtlich ihres Angebots an Videosprechstunden untersucht. Hier zeigt sich ein klares Stadtgefälle: Die fränkische Metropole Nürnberg führt das Ranking mit einem Anteil von 8,50 Prozent an. Auf Platz zwei folgt Dresden mit 7,69 Prozent, dicht gefolgt von Bonn (7,66 Prozent).
Am unteren Ende der Skala stehen Städte wie Münster (3,09 Prozent), Bielefeld (2,30 Prozent) und Bremen mit nur 0,89 Prozent. Die Hauptstadt Berlin befindet sich mit einem Anteil von 4,62 Prozent im unteren Drittel des Rankings. Im deutschlandweiten Durchschnitt bieten 6,01 Prozent der Ärzt*innen eine Videosprechstunde an.
Der prozentuale Unterschied zwischen Ärzt*innen, die Videosprechstunden für Privatpatient*innen anbieten (6,01 Prozent) und jenen, die gesetzlich versicherte Patient*innen behandeln (5,87 Prozent), ist gering.
„Viele Menschen sehen die Digitalisierung im Gesundheitsbereich kritisch, ich als Informatiker erkenne in der Telemedizin vor allem eine große Chance für das überlastete Gesundheitswesen. In vielen Situationen sind Videosprechstunden eine wertvolle Ergänzung, die sowohl Patient*innen als auch Arztpraxen entlasten“, kommentiert Dr. Farshad Badie, Dekan der Fakultät für Informatik an der BSBI und Experte für Human-Centered Informatics, Informationswissenschaft und strategische KI. „Digitale Gesundheitsangebote erhöhen zudem die Barrierefreiheit, indem sie für Patient*innen in ländlichen Regionen oder mit eingeschränkter Mobilität unnötige Wege vermeiden. Großes Potenzial für den Ausbau der Telemedizin sehe ich in Bereichen wie der Psychiatrie und der Psychotherapie oder bei Hautärzten, wo es oft lange Wartezeiten für einen Termin gibt. Hier können digitale Ergänzungsangebote helfen, eine flächendeckende medizinische Versorgung trotz Fachkräftemangel zukünftig sicherzustellen. Dafür braucht es nicht nur gesetzliche Rahmenbedingungen, sondern auch Fachleute im IT- und Machine-Learning-Bereich und ein entsprechendes Ausbildungsangebot. Nur so kann das Gesundheitssystem mit den erforderlichen technologischen Grundlagen ausgestattet werden.“
Über die Untersuchung
Untersucht wurde das prozentuale Verhältnis von Ärzt*innen, die auf Doctolib die Möglichkeit einer Online-Terminbuchung anbieten, zum Anteil der Ärzt*innen, die zudem eine Videosprechstunde anbieten. Im Anschluss wurde verglichen, welches der 18 analysierten medizinischen Fachgebiete am häufigsten die Möglichkeit einer Videosprechstunde anbietet und in welchen der zwanzig größten deutschen Städte die meisten Videosprechstunden angeboten werden. Doctolib listet zudem Arztpraxen, die keine Online-Terminbuchung ermöglichen. Diese wurden in der Untersuchung nicht einbezogen. Die Daten wurden zwischen dem 10. und 17. März 2025 erhoben.